Wie heiß ist „Bosniens Frühling“?

Wir befinden uns im Jahre 2014 n. Chr. Ganz Bosnien ruft auf zu Protesten… ganz Bosnien? Nein! Ein beugsames von (hauptsächlich) Serben bewohntes Dorf hört immer noch nicht auf, der Regierung zu folgen.

Und das Leben ist nicht leicht für die anderen Mitbürger, die als arbeitslose, arme Bürger in den Städten Sarajevo, Tuzla, Zenica und sogar Banja Luka für ihre Rechte kämpfen…

Mittlerweile sprechen internationale Medien wie der Focus und die New York Times von einem bosnischen Frühling und  balkaninsight titelt sogar „The Bosnian Spring Starts With a Bang“. Genannten Bang spiegelt die Tagesschau auch sofort mit eindeutigen Bildern wieder und ganz Bosnien scheint ethnisch vereint auf eine Revolution zuzusteuern.

Scheint…

Arbeitslosigkeit. Korruption. Frust. Hunger.  Das sind die Probleme, die die Menschen in Tuzla auf die Straße bringt. Das sind die Probleme, die das Regierungsgebäude in Sarajevo in Flammen setzen.

Bosnien und Herzegowina besteht seit 1995 und das weltweit einmalige Staatssystem ist noch lange nicht aus der Probefase. Die Verfassung teilt den Staat in die bosniakisch-kroatische Föderation und die serbische Republik, gibt jeder Ethnie ihren Präsidenten und macht Demokratie zur Bürokratie.

Nun wehrt sich das Volk gegen das von der internationalen Gesellschaft gebaute politische Gerüst und ruft in einem fünf Punkte Plan auf zur Revolution.

Das Volk..

Stille schleicht durch die Straßen Bijeljinas, der viertgrößten Stadt Bosniens, am Sonntag, wo zum ersten Protest der Stadt aufgerufen wird. Die Polizei zieht streife und geht Patrouille. Vor dem Rathaus sammelt sich langsam eine Menschenmenge an, den Blick starr auf das Regierungsgebäude gerichtet. Sie schauen – und nur deshalb sind sie gekommen um zu zu schauen – auf dreißig Leute, ohne Plakat und ohne Mikrofon.
Und diese Leute sehen weitere dreißig Leute auf sie zukommen, mit Flagge der Republika Srpska und lauter Stimme.

Erst als die Gegendemonstration in formiertem Schritt auf das Rathaus marschiert, ergreifen die eigentlichen Protestanten das Wort und stellen ihre Forderungen. Leise kämpfen sie für ihre Rechte und lesen ihre Forderung vor. Leise und friedlich.

Laut und aggressiv dagegen sehen die Gegendemonstranten aus, denn sie schreien im Chor „Republika Srpska“, hüllen sich in ihre Flaggen ein, berufen sich auf ihre serbischen „Kriegshelden“, die militärische Anführer im Bosnienkrieg waren und werden von der Polizei (ca. sechs Männern) umstellt. Oder beschützt?

Ihre Parolen lauten „Geht nach Sarajevo“ oder die „Republika kann ohne euch“ und wahrscheinlich meinen sie damit auch ohne die Föderation. Die offizielle Aussage der Gruppe, die sich schon „Wir-Protestieren-Nicht“ nennt, ist, dass sie nichts mit den Protesten der Föderation zu tun haben wollen, weil sie Gewalt verhindern möchten und im Hintergrund schiwrren Gerüchte umher, die Proteste in der Föderation hätten als einziges Ziel die Vernichtung der Republika. Deshalb berufend sie sich auf ihr Volk, das in diesem Falle Serben und nicht die „geeinten Bosnier“ sind.

Sieht so ein gemeinsames Einstehen für eine bessere Zukunft aus, bei dem alle Ethnien für eine „politische Revolution“ und bessere Lebensumstände kämpfen? Oder ist das schon wieder Nationalismus, der den Balkan schon in den 90ern in eine Misere seinesgleichen stürzte?

Antworten auf die Frage, wer die Gegendemonstranten genau seinen gehen von „Fußbalfans“ über „Hooligans“ bis zu „Beschützer der Republika Srpska“. Die Medien richten meist gar nicht über die Parteien, doch spricht eine einseitige Berichterstattung über die Gegendemonstranten auch für sich und auch kein Bericht, die zur Zeit häufigst gewählt Variante, ist ein Bericht.

Ein regelrechtes Nichterscheinen gibt es nicht nur bei den Medien, sondern auch bei dem nächsten Protest in Bijeljina am Montag. Circa 100 Schaulustige und vier Kamerateams warten gemeinsam. Doch nicht einmal die Polizei hält es mehr nötig zu kommen, schließlich beläuft sich die Zahl der protestierenden in Bijeljina an diesem Tag auf exakt null Personen und der Platz vor dem rathaus bleibt leer.

Entweder gibt es Bijeljina keine wütenden Arbeitslosen oder das Land steht anscheinend doch noch nicht auf und schließt sich über Ländergrenzen hinweg zusammen.

Selbst wenn Teile der Hauptstadt der Republika Srpska (Banja Luka) solidarische Proteste zur Föderation, zu Sarajevo und Tuzla veranstalteten und auch in anderen kleinen Städten kleine Bewegungen stattfinden, um das gemeinsame Problem von Arbeitslosigkeit und Korruption versuchen zu lösen und auch wenn vielleicht die Blumen eines bosnischen Frühlings im einen Teil des Landes bald sprießen, so braucht Bosnien wohl noch eine ganze Weile um über die Kriegswunden der 90er zu kommen und gemeinsam für Rechte einzustehen.

Bijeljina Proteste Feb14

Bijeljina Proteste Feb14 - 2

Friedlicher Protest und der Gegenprotest mit Flaggen im Anmarsch (Bijeljina)

Ein Gedanke zu “Wie heiß ist „Bosniens Frühling“?

Hinterlasse einen Kommentar